Die Geschichte deines Traums:

Einen Weg laufen ohne zeitliche Begrenzung - einfach unterwegs sein

 

Interview mit Brigitte L. am 10. Juli 2013:

 

Welches ist dein Traum?

Mein aktueller Traum ist, wirklich einen Weg zu laufen ohne enge zeitliche Begrenzung, einfach unterwegs zu sein.

 

 Du gehst eine ganz bestimmte Strecke?

Genau. Ich gehe den Jakobsweg. Da ich nicht genau weiß, wie gut ich mich auf meine Füße verlassen kann, gehe ich genau diesen Weg, weil da eine gute Infrastruktur ist. Weil ich vielleicht auch mal mit dem Bus ein Stück fahren kann, weil ich kein Essen mit mir tragen muss.

 

 Ein Weg ohne enge zeitliche Begrenzung?

Ja, ich hatte immer den Wunsch einfach mal lange zu gehen, lange zu wandern, ohne dass ich weiß, in einer Woche muss ich da sein... oder es ist zu Ende... Und deshalb habe ich mir jetzt eben auch nur ein Hinflugticket gekauft und kann dann gucken, wie es wird. Also wirklich so offen auf so einen Weg zu gehen, ohne dass ich zum Beispiel das Rückflugticket schon gebucht habe.

 

Es ist also noch alles offen...

Ja.

 

Wie ist dir denn dieser Traum zum allerersten Mal begegnet?

Das war ganz witzig. Eine Freundin von mir hat mir ein Buch mitgebracht. Über Wünsche und Träume. In dem Buch war ständig die Rede von Menschen, die ihr altes Leben hinter sich gelassen haben, aus ihrer Familie weggegangen sind, die ihren Job gekündigt haben, ihre Frau verlassen haben, ihren Mann verlassen haben und weggegangen sind. Das Buch heißt „Sehnsucht, das unerfüllte Gefühl“. Mich hat das Buch eher ärgerlich gemacht. Ich habe gedacht: Oh, nee... immer diese Leute, die in der Ferne alles finden wollen und alles hinschmeißen. Und so viel Leid, was dann entsteht. Kinder werden verlassen, und....... Ich habe gesagt: Nee, so was habe ich nicht. Dann habe ich geschlafen und als ich aufwachte, dachte ich ganz schlicht: Ich wollte doch immer mal einen Weg lang gehen. Ich musste lachen, weil ich erst so mit Abwehr reagiert hatte. Das war aber dann ganz sicher in mir, dass ich wusste, das wollte ich eigentlich immer machen und das möchte ich auch.

 

Da warst du plötzlich ganz sicher. Wie erstrebenswert ist das für dich gewesen?

Ich wollte das. Und ich habe dann auf meiner Arbeit besprochen, ob ich mich beurlauben lassen kann. Das ging so weit, dass ich dachte, wenn das gar nicht geht, dann gehe ich. Dann kündige ich. Es war so, dass ich gedacht habe, das möchte ich wirklich und das ist mir ganz wichtig.

 

Also schon sehr erstrebenswert?

Sehr erstrebenswert.

 

Kannst du sagen, was es so erstrebenswert macht?

Ich werde ja 60, während ich auf diesem Weg gehe, und ich habe gedacht, das ist eine gute Gelegenheit... Also, ich bin hier ja auch sehr eingebunden und verwurzelt und in meinem Garten und bei meinen Freunden und es gibt immer viel, auf das ich mich einstelle.... Ich lerne gerne und beschäftige mich gerne mit dem, was da auf mich zukommt. Und ich habe gedacht, ich möchte da wirklich - für - mich - sein. Wie es dann wird, weiß ich nicht, vielleicht bin ich ja nur mit meinem Körper beschäftigt und wie ich da laufe, aber von der Idee her ist es wirklich raus zu sein aus meinem Alltag und noch mal ein bisschen weiter zu gucken, wie ich möchte, dass mein Leben weiter geht.

 

Also einmal wirklich nur für dich sein und dich nur auf deine Sachen konzentrieren, und da kommt dann was, was sich dir eröffnet, das dir dann die neue Richtung zeigt oder die weitere Richtung?

Ja oder dass alles so bleibt wie es ist, vielleicht auch. Manchmal geht ja die Veränderung innen. Ich habe gedacht, so Vieles ist jetzt abgeschlossen, meine Ehe ist zu Ende, die Kinder sind wirklich gut unterwegs, die brauchen mich nicht wirklich von der mütterlichen Fürsorge, wir sind gut in Kontakt. Ich glaube, ich bin im Moment so frei, wie ich das vielleicht nie wieder sein werde. Ich muss mich nicht um meine Eltern kümmern, weil die gestorben sind. Ich muss mich nicht um meine Kinder kümmern, die sind unterwegs. Ich habe im Moment keine wirkliche Verpflichtung.

 

Und dein Körper erlaubt es dir ja auch. Das ist also genau die richtige Zeit jetzt?

Ja. Wer weiß, wie es in zehn Jahren ist. Und vielleicht gibt es dann ja auch Enkelkinder und da werde ich gebraucht oder ich möchte gerne dabei sein. Ich habe gedacht: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Und auch bevor ich in Rente gehe. Auch für die Entscheidung, wie viel will ich noch arbeiten, wie viel möchte ich vielleicht noch was anderes tun? - Auch dafür.

Jetzt ist dein Arbeitsleben noch in sicheren Bahnen und es ist entschieden, wie es geht und da kannst du dich leichter mal ausklinken?

Ja.

 

Wie hast du es denn geschafft, dass du jetzt so kurz davor bist? Demnächst geht’s ja los. Du hast schon das Ticket...

Ich hab schon das Ticket, der Rucksack steht da schon....

 

In wie viel Wochen geht es los?

In sieben Wochen etwa.

 

Wie hast du es geschafft, dass es klappt?

Ja, das ist witzig. Das war auf eine Art einfach und auf eine Art hat es lange gedauert. Ich habe gesagt, ich möchte ein halbes Jahr. Das habe ich nicht gekriegt. Ich habe drei Monate bekommen. Aber ich dachte, drei Monate sind Minimum. Und dann habe ich das beantragt. Schon vor einem dreiviertel Jahr. Darauf habe ich eine undifferenzierte Antwort bekommen: Ja, möchte man mir gerne ermöglichen, wenn es mit den Kollegen geht. Und ich habe mich wirklich gar nicht aufgeregt. Ich dachte, o.k., sehen wir mal, wenn es nicht geht, gehe ich. Ich war relativ ruhig dabei, also nicht so echauffiert, nicht in der Eskalation mit den anderen. Ich dachte, wenn das nicht geht, dann passt es nicht mehr. Es war bis vor kurzem noch nicht 100 %ig sicher. Da habe ich nur gedacht: Ja, Kündigungsfrist mit Urlaub, das haut alles hin...

 

Deinen Termin kannst du auf jeden Fall einhalten...

Den halte ich auf jeden Fall ein. Ja, und dann sehen wir doch mal. Das war eine gute Position. Keine abhängig-bittende. Ich freue mich, dass es möglich ist, aber das war schon erstaunlich. Es war ja ein Konflikt: Machen sie es oder machen sie es nicht? Das ging aber ganz ruhig für mich.

 

Eine überlegene Verhandlungsposition, die du da hattest.

Ja, aber ich war mir meines Einsatzes sicher. Ich würde nicht in erster Linie mein Arbeitsleben beenden wollen, das würde ich schon gerne rund machen, aber ich habe gedacht: Ja, vielleicht auch für was gut. 

Welche Hindernisse musstest du überwinden?

Eigentlich nicht so viele. Es war ein Langstreckenhindernis, dran zu bleiben und immer noch mal zu fragen. Ich habe schon auch dazu beigetragen, wie ich vertreten werde, aber ich habe das nicht als wirkliches Hindernis erlebt. Vielleicht ein bisschen anstrengend manchmal. Wer macht das jetzt, wie geschieht es. Ich glaube, jetzt, wo alles schon klar ist, gibt es kleine Hindernisse: Wie bringe ich meine Klienten unter, wie hinterlasse ich meinen Schreibtisch, damit andere sich gut orientieren können. Und es fühlt sich auch wie ein richtiger Abschied an, obwohl ich ja wiederkomme und es gar nicht so lange ist. Es fühlt sich wie eine richtige Zäsur an.

 

Weil es ja auch bedeutend ist. Es ist ja nicht die Länge, sondern die Bedeutsamkeit.

Ja.

 

Was hilft dir denn, die Hindernisse zu überwinden?

Zum einen glaube ich, bin ich relativ flexibel. Zum Beispiel komme ich jetzt einfach in meinem Urlaub zwei Tage zur Arbeit, weil es mir wichtiger ist, dass es gut geht, als dass ich meine Zeiten strikt takte. Ich fühle mich wohler damit, wenn wirklich alle gut untergebracht und versorgt sind, als nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“.

 

Und was noch? Was hilft dir noch?

Ich glaube, auch das Wohlwollen der Anderen. Ich empfinde, dass es wirklich getragen wird, dass ich das mache. Niemand, der missgünstig guckt. Es ist auch total nett, mit dem Jugendamt, mit dem ich arbeite, dass die wirklich interessiert sind. Ich denke, man gönnt es mir. Das ist schön.

 

Also, du fühlst dich wohlwollend von deiner Umwelt damit wahrgenommen, dass du dieses Vorhaben hast. Und du bist ganz flexibel, also du kannst dich auf das, was kommt flexibel einstellen?

Ja, das hilft sehr.

 

Das hört sich für mich so an, als ob es alles überhaupt nicht schwierig ist, als ob es ganz leicht flutscht.

Na, ja, in mir gibt es dann Prozesse. Zum Beispiel, dass es mich ganz aufregt, dass ich kein Rückflugticket habe. Ich denke manchmal, ich könnte doch jetzt ein Rückflugticket kaufen, dann weiß ich den Zeitpunkt wann ich wiederkomme. Also, dass etwas, was ich mir wünsche, mich auch verunsichert. Nicht so, dass ich nachts nicht schlafe, aber schon... Mich auf diesen Prozess einzulassen, der ein bisschen ungewiss ist....

 

Ja, dieses Offene.

Ja, das reizt mich, aber ich muss auch sagen, ängstigt mich ein bisschen. Hätte ich nicht gedacht.

 

Trotzdem gehst du diesen Weg. Du könntest ja auch sagen: Ja, ich buche mal eben einen Rückflug, man kann ja dann noch umbuchen...

Nein, das mache ich nicht, weil es ja gerade das ist, was ich möchte.

 

Ja, genau darum geht’s. Und woher weißt du, dass du auf dem richtigen Weg bist?

Das weiß ich gar nicht. Ich glaube, ich bin auf einem Weg, wo ich Erfahrungen machen werde. Und ich glaube, ich gehe es ziemlich flexibel an. Ich weiß noch nicht mal, ob es richtig für meine Füße ist, den Weg zu gehen. Es ist ja eine Zeit, die ich habe, und ich bin jetzt etwas gelaufen in meinen Schuhen, das geht ganz gut. Ich bin ziemlich bescheiden sozusagen, wo die Latte hängt. Ich denke: Mal gucken was wird und was geht.

 

Das wirkt auf mich wie eine fröhliche, kleine, erwartungsfrohe, leichte, freundliche Art, einfach auf die Dinge zuzugehen.

Ja, und das ist ein richtiger Luxus. Ich muss nichts leisten, ich kann einfach ich sein und da gehen und wahrscheinlich gehöre ich zu den Älteren – da werden welche immer an mir vorbeirennen. Ich war jetzt in der Schweiz und bin auf den Berg gegangen und da sind junge Leute an mir vorbei gejoggt auf dem Weg. Also – da wirklich auch das eigene Tempo, den eigenen Weg zu finden.

 

Ja, es ist so ganz leicht. Ich habe ja auch mit anderen Menschen über deren Lebensträume gesprochen und die hatten teilweise schwierige Wege. Und da habe ich mich darauf konzentriert, wie sie es geschafft haben, die Hürden zu überwinden. Und dies kommt mir so vor, wie eine einfache Geburt.

Vielleicht ist der Weg, der hinter mir liegt auch viel schwerer, als das was ich jetzt tu. Ich habe ja eine ungewollte Trennung hinter mir. Ich habe hinter mir, mich darin zu finden, mit der neuen Identität, mit dem alleine Sein mich anzufreunden, die Kinder loszulassen. Hier ist ja sehr viel passiert. Und das fühlt sich vielleicht so an, wie aus dem Gröbsten raus oder wirklich auch eine krisenhafte Zeit hinter mir zu haben, mit viel Verunsicherung und viel Schmerz auch. Natürlich habe ich zwischendurch auch Gedanken wie gehe ich jetzt ins Alter? Ich glaube, dieser Weg steht vielleicht auch für: Ich kann einfach losgehen, ich kann mir eine Zeit nehmen. Steht vielleicht auch für die positiven Seiten des Alleine-Lebens, also für die Unabhängigkeit. Ich kann es einfach machen, ich muss niemanden fragen. Da hängt niemand durch, weil ich eine Zeit weg bin. Außer vielleicht auf der Arbeit, aber auch das ist ja gut geregelt.

 

So frei und leicht.

Ja. – Ja, vielleicht auch deshalb frei und leicht...., Ich bin auf einem Bauernhof geboren und ich habe mich immer sehr in der Verpflichtung für diesen Hof gefühlt, also sehr... Ich habe ja nicht die Position eingenommen, diesen Hof weiter als Bauernhof zu führen und bin weg gegangen, aber habe mich trotzdem immer sehr in Verbindung gefühlt. Wie läuft es da? Wie geht es da weiter? Was ist mein Teil der Verantwortung? – Dieses: Einfach nur für mich – Das zu dürfen auch, ist schon was Schönes.

 

So wie tief durchatmen.

Ja, und egal, wie es wird. Ich bin da ziemlich offen. Wenn das für mich körperlich nicht machbar ist, habe ich gedacht, fahre ich in eine Ayurveda-Klinik nach Indien. Also ich gucke einfach, was ich dann tue.

 

Es gibt also viele Wege, das zu erreichen, was sozusagen der goldene Kern deines Traums ist.

Ja, ganz genau. Und insofern die Frage „Woher weißt du, dass du auf dem richtigen Weg bist?“ – Ich glaube, der richtige Weg ist: Ich fahr jetzt mal los und ich gucke mal, wie es da ist für mich und wie ich mich da mit mir fühle, auf welche Fragen ich da komme... Und dann ist es natürlich auch ein spiritueller Weg, den sind ja viele Menschen mit religiösen Fragen gegangen, mit ihrem Anliegen an Gott, und das bewegt mich auch. Dafür auch Raum zu haben.

 

Ja, wie schön.

Also, es gibt ja Träume, die mit ganz anderen Risiken verbunden sind. Und das finde ich jetzt, ist ja sehr eingebettet, nicht?

 

Ja, es ist sehr eingebettet und gleichzeitig hat es auch so eine Einfachheit, die so selbstverständlich ist. Wo eigentlich schon alles ganz klar ist. Eine klare Einfachheit. Du brauchst keine großartigen Sachen....

Ja, wie es mir da gehen wird, das weiß ich alles nicht. Das ist ja auch so was, wo ich noch mal gucken kann: Was schaffe ich eigentlich noch, was entspricht mir jetzt in meinem Alter? Ich bin früher ja ganz viel gewandert. Einfach auch meinen Körper dann zu spüren. Die Möglichkeiten.

 

Reise zu mir selbst. Würde es das treffen?

Ja.

 

Hast du, was deinen Traum betrifft in irgendeiner Art Vorbilder?

Es gibt ja hunderte, die auch den Weg gelaufen sind............Jetzt muss ich ein bisschen lachen: Ich habe ja als Kind Karl May gelesen. Durch den wilden Westen... Aber das ist natürlich was anderes, was ich jetzt mache. Aber ich fand das als Kind immer ganz toll, wenn die da aufgebrochen sind...

 

Ins Ungewisse...

Ja, ins Ungewisse. Na ja, so ungewiss ist ja der Jakobsweg nicht. Also ich könnte ja jetzt die Leute zusammenkramen, die auf dem Jakobsweg schon gelaufen sind, aber...

 

Das sind ja nicht wirklich deine Vorbilder, sondern das sind Vorgänger auf der Strecke. Aber Karl May, .....nur das Pferd und drei Packtaschen und dann auf ins Ungewisse... Genau. Das ist ja auch was, was begleiten kann und stärken kann.

Ja. Also das ist jetzt nur assoziiert...

 

In mir gibt’s wirklich so zwei Teile: Ich bin total sesshaft, komme kaum vom Acker, jedes Mal bevor ich in Urlaub fahre, denke ich: Nein, ich möchte noch eine Woche hier bleiben und mich hier in alles rein begeben. Und dann kenne ich auch von mir, dass ich mich mit meinem Rucksack sehr wohl fühle, unterwegs und ganz reduziert Dinge bei mir zu haben, mit dieser Freiheit dann auch.

 

Ja. – Wie wirkt sich das auf dein Leben aus? Dass du dieses Ziel verfolgst und diesen Traum hast? Also da sind ja verschiedene Zeitdimensionen: Einmal kann man sehen in der Vergangenheit, wie sich das ausgewirkt hat, dann jetzt – und wie sich das vermutlich in der Zukunft auswirken wird.

In der Vergangenheit war es so, dass ich gesagt habe: „Ich“ - Das war gut für mich. „Jetzt geht es um mich, um meine Fragen“ - Und mich nicht nur an das Tempo und den Bedarf von außen anzupassen, sondern wirklich auch Raum für mich. Und jetzt ist es so eine Mischung aus Freude und Aufregung, dass ich das mache, bisschen Stress dann auch zwischendurch. - Aber auch Freude. Wie ein kleiner Schatz, dass ich das mache. – Und die Zukunft, das weiß ich nicht. Vielleicht auch wirklich wie eine Wegzehrung für das Alter. Meine Mutter hat immer gesagt: Was man hat, das hat man.“ Das ist gerade auch in der Zeit, wenn ich nicht mehr arbeiten gehe, bestimmt ein Schatz. Einmal dieses, im eigenen Rhythmus zu sein, vorher schon erlebt zu haben. Das ist ja ein Traum in etwas abgespeckter Form, ich wollte ja eigentlich ein halbes Jahr, das ist natürlich noch viel unbegrenzter von der Zeit, die man dann hat. Aber es ist ein Vorgeschmack für mich.

 

Und wie wirkt sich das auf deine Mitmenschen aus?

Ich hätte das gar nicht so gedacht, aber ich glaube... viele sind so sehr aufmerksam... Vielleicht auch, dass ein Teil von mir so deutlicher wahrnehmbar ist, im Kontakt.

 

Und mir scheint auch so, dass es sehr Willkommen geheißen wird, von den anderen, dass sie sich freuen für dich...

Ja, es ist ja so, dass ich das dann auf der Arbeit auch öfter sagen muss, wenn es um Fortsetzung von Beratung geht und dann tritt auch eine andere Dimension ein zwischen den Frauen. Wer man sonst noch ist und was noch wichtig ist. Da wird plötzlich ganz viel erzählt. Die Klienten wissen es ja auch, und vielleicht werde ich auch menschlicher für sie, dadurch dass sie wissen, dass ich mit einem Rucksack losgehe. Sonst kriegen sie mich ja immer eher in der Resonanz auf sie mit.

 

Ich habe mich ja verliebt in die Idee, dass Träume ein Weg sind, auf dem Neues in die Welt kommt. Was würdest du sagen, was ist das Neue, was durch deinen Traum kommt, oder welches sind die neuen Dinge, die dein Traum jetzt in die Welt bringt?

Mein Traum hat ja was mit Suchen zu tun, sehr stark. Und sich Raum nehmen zum Suchen. Und sich nicht so vollzupflastern mit Struktur. Es ist natürlich auch eine Struktur zu gehen, aber es geht darum, zu gucken: Wie gehe ich? Wie viel gehe ich? Wann gehe ich? Ja, und die Perspektive zu wechseln auch. Und man kann es einfach machen. Man kann einfach auch mal die Routine unterbrechen. – Es gibt ja einen Spruch in der Bibel, wo Petrus Jesus begegnet. Der hat mir früher immer Angst gemacht. Da sagt er zu Petrus: „Petrus lass das Fischen sein und folge mir nach.“ – Da habe ich als Kind schon immer einen Riesenschreck gekriegt. Da habe ich gedacht: Boah – wenn ich das soll. Einfach alles – hier wo ich meine Rosen gepflanzt habe und was ich hier alles gemacht habe... und dann aufzubrechen.... und das Ungewisse zu wagen... Das hat mir als Kind immer völlig Angst gemacht. Und dann habe ich auch gedacht, also so, wie ich das Christentum und den Glauben verstehe, das würde mich völlig überfordern. Zu gucken, was kommt denn jetzt auf mich zu oder welchen Ruf höre ich. Welchen Ruf höre ich – das hat mich immer sehr verunsichert. Und vielleicht ist es das auf einer anderen Ebene: Dass ich mich dafür öffne, welchen Ruf für mein Leben ich höre, wenn ich diesen Weg gehe.

 

Also, der Perspektivwechsel, von dem du gesprochen hast, ist dann, das andere zu hören, den anderen Ruf zu hören und zu sehen, was dann kommt?

Ja. Und das ist vielleicht auch das, was mich ängstigt, letztendlich, wenn ich nicht dieses Rückflugticket in der Tasche habe.

 

So als wenn Petrus sich nicht noch sicherheitshalber ein Fischernetz einsteckt?

Ja. Oder sagt: Die Firma muss hier doch weiter gehen.

Was rätst du anderen, die ihren Traum verwirklichen wollen?

Meine Erfahrung ist: Ich habe ja früher auch schon versucht, mich beurlauben zu lassen. Es war immer ganz kompliziert oder klappte nicht so, wie ich dachte. Ich glaube, wenn man sich wirklich so sicher ist, dass es gut ist, das zu machen, dann ist es gut, auch den Einsatz zu wissen, also auch zu wissen, was riskiere ich dafür? Bin ich bereit? Wenn man was macht, muss man ja immer auf was verzichten. Wenn man den Preis kennt und dazu eine Bereitschaft hat, das ist, glaube ich, ganz gut. Dann ist es auch leichter, dann muss man nicht mit der Umwelt ins Gefecht gehen.

 

Ja, wenn du weißt, was auf dich zukommt, was die Risiken und Nebenwirkungen, Kosten sind, und darauf eingestellt bist.

Bei mir sind ja auf der Arbeit die Risiken und Nebenwirkungen, dass ich dann erstmal keinen Einfluss habe, wie es weiter geht, dass Prozesse ohne mich weitergehen.

 

Ja, du bestellst dann dein Feld nicht mehr.

Dann macht vielleicht jemand ganz andere Landwirtschaft.

 

Ja, und du sagst, o.k., dann ist das so.

Ich glaube, man kann nicht in zwei Richtungen gleichzeitig gehen. Wenn man da Kontrolle ausübt und gleichzeitig für sich selber in Freiheit gehen will.

 

Gibt es noch was, was jetzt wichtig ist, zu sagen?

Ich denke, vielleicht kann ich mich auch ein bisschen mitnehmen lassen, vom Leben oder von dem, was kommt. Wie beim Segeln, ob man sich dem Wind anvertrauen mag.

 

Ich bin gespannt, was du erzählst, wenn du wiederkommst.


 

 

Fotos: Jens Ambsdorf

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